Schon seit Jahren bemühen sich Regierungen darum, die richtige Balance zwischen Sicherheit und Datenschutz zu finden – insbesondere in Bezug auf elektronische Kommunikation. Mit Aussagen wie „Wenn du nichts zu verbergen hast, hast du auch nichts zu befürchten“ wird in diversen Kampagnen weltweit argumentiert, dass es offenerer und reibungsloserer Methoden bedarf, um die Kommunikation der (Cyber-)Kriminellen schneller ausfindig zu machen und ihre niederträchtigen Intentionen zu unterbinden.
"Wird eine Backdoor gezielt in eine Technologie eingebaut, kann sich ihrer Meinung nach niemand der ehrlichen Absichten des Schlüssel-Inhabers sicher sein."
Neben der Electronic Frontier Foundation (EFF) sowie einer Vielzahl anderer Organisationen haben sich nun auch die Leute des in der Schweiz ansässigen E-Mail-Dienstes ProtonMail, die die Nachrichten ihrer Nutzer verschlüsseln, gegen eine solche Ansicht ausgesprochen. Wird eine Backdoor gezielt in eine Technologie eingebaut, kann sich ihrer Meinung nach niemand der ehrlichen Absichten des Schlüssel-Inhabers sicher sein. Zudem könnten solche Handlungen das Vertrauen der Nutzer in die Kommunikationsanbieter erodieren. Die Frage wäre dann nicht mehr, OB jemand mitliest, sondern WER. Und weil viele User die Befürchtung haben, dass ein ursprünglich vielleicht vertrauensvoller Backdoor-Zugang potenziell missbraucht werden kann, besteht die Antwort aus einem ziemlich soliden „nein“.
Während die EU in der Vergangenheit dem Datenschutz unentwegt treu geblieben ist, gelangen aufgrund dramatischer internationaler Ereignisse – wie den Terroranschlägen in Frankreich und anderswo –Diskussionen über Datenschutz wieder an die Oberfläche. Denn die sicheren und privaten E-Mails, die manche Dienste anbieten, kommen auch den Kriminellen und ihren Plänen zugute.
Um der globalen Erosion zu entgehen, sind viele Leute in die Schweiz geströmt. Hier profitierte man bislang von sicheren, verschlüsselten E-Mails und fühlte sich wohl mit dem Gedanken, dass sich die Server in einem Land befinden, das aus der Historie heraus ein politisch neutrales und datenschutzfreundliches Klima wahrt. Während dein privates Schweizer Bankkonto bereits unter internationalem Feuer steht, könnte allerdings auch dein E-Mail-Account bald auf einer globalen Abschussliste stehen.
Können die Datenschutzbefürworter nun tatsächlich etwas bewegen? In der vorletzten Woche mobilisierte der Dienst ProtonMail seine Kunden und Fans und sammelte mehr als 70.000 Unterschriften, um sich gegen das Nachrichtendienstgesetz (NDG) auszusprechen. Mit dem Argument, dass Entscheidungen zum Datenschutz auf dem öffentlichen – nicht nur politischen – Willen basierend getroffen werden sollten, konnten sie bewirkt, dass es bezüglich des Themas zu einer öffentlichen Abstimmung kommen wird.
Hier in den USA versuchen wir seit Jahren, den Kongress-Mitgliedern den technischen Hintergrund rund um Datenschutzthemen zu erklären. Zwar können wir ein paar Fortschritte verbuchen, allerdings zeigen diese schweizerischen Bemühungen, wie man den Spieß komplett umdrehen könnte und die Entscheidung der Öffentlichkeit überlässt. Sicherlich gibt es einige Leute, die tatsächlich der Ansicht sind, nichts zu verbergen und dementsprechend nichts zu befürchten zu haben, wenn der Regierung mehr Möglichkeiten eingeräumt würden, doch zeigt die große Zahl der gesammelten Unterschriften, dass viele Schweizer anderer Meinung sind.
Auf globaler Ebene wird häufig noch ein rechtliches Verfahren benötigt; heißt, es bedarf eines richterlichen Beschlusses, um legal Zugang zu einer Kommunikation zu erhalten. Dennoch haben viele Menschen die Befürchtung, dass die Versuchung für Regierungen, in bestimmten Ausnahmefällen vielleicht doch ein bisschen weiter zu gehen, zu groß sein könnte – vor allem, wenn es weitreichendere technische Möglichkeiten gibt, könnten staatliche Lauschangriffe noch leichter ohne das Wissen des Nutzers durchgeführt werden.
Schon seit Jahren sind Kommunikationsanbieter (vor allem E-Mail-Dienste) wie Lavabit und viele andere, denen Datenschutz ein Anliegen ist, auf der Suche nach Standorten, wo die politische und rechtliche Lage ihnen die Möglichkeit gibt, ihr Geschäft ihren Vorstellungen gemäß zu gestalten. Wenn sie das Gefühl haben, dass die Bedingungen in ihrem Heimatland nicht gerade wünschenswert sind, schauen sie häufig in die Schweiz. Die Mobilisierung der Anhänger von ProtonMail sendet ein interessantes Signal an die Schweizer Regierung (und andere, die die Sache gespannt verfolgen). Sie glauben, dass die Menschen gerne ein Wörtchen mitreden würden und gehen davon aus, dass sie dafür abstimmten werden, die privaten Dinge privat zu halten. Wir werden sehen.