Sie nutzen moderne Technologien wie selbstverständlich, sind in der digitalen Welt ebenso zu Hause wie in der realen und erklären ihren Eltern, wie sie Bilder über WhatsApp verschicken können – die Rede ist von den sogenannten Digital Natives, einer Generation, die mit modernen Technologien und dem Internet aufgewachsen ist. Sie revolutionieren inzwischen die Wahrnehmung, Arbeitsweisen und das Wissensmanagement in Unternehmen, beispielweise durch den Einsatz von Blogs und Wikis. Doch was genau steckt hinter diesem Begriff und was ist so besonders an den „digitalen Eingeborenen?“ Nur weil sie versiert mit Laptop, Smartphone & Co. umgehen können, heißt das auch gleichzeitig, dass sie sich sicherer als normale Nutzer im Netz bewegen?
Wer hat’s erfunden?
Heute liest man fast täglich von den Digital Natives. Dabei prägte der Pädagoge und Manager Marc Prensky den Begriff schon in seinem 2001 veröffentlichten Essay „Digital Natives, Digital Immigrants“, der mittlerweile häufig zur Beschreibung einer ganzen Generation genutzt wird. Darunter versteht er Personen, die in das digitale Zeitalter hineingeboren wurden und mit der virtuellen Welt von der Pike an vertraut sind. Seinen Gegenpart findet der Digital Native im so genannten Digital Immigrant, der den Umgang mit dieser Technik erst im Erwachsenenalter erworben hat. Ein Dreißigjähriges Pärchen beispielsweise zählt zu letzteren, ihr Kind zur Generation Digital Natives.
Laut Prensky bestehe der Unterschied zwischen beiden Gruppen nicht nur im Verhältnis zur Technologie, sondern auch in ihren Denk-und Lernstrukturen:
„Digital Natives sind es gewohnt, Informationen sehr schnell zu empfangen. Sie mögen paralleles Arbeiten und Multitasking. Sie bevorzugen Grafiken eher als Text (…). Sie lieben den direkten Zugriff (…). Vernetzt funktionieren sie am besten. Sie kommen bei sofortiger und häufiger Belohnung zur vollen Entfaltung. Sie bevorzugen Spiele statt ‚seriöser‘ Arbeit.“
Digital Immigrants hingegen erfassen das Ganze „langsam, Schritt für Schritt, eins nach dem anderen, individuell und vor allem ernsthaft.”
Offensichtlich schreibt Prensky seinen Digital Natives vier besondere Attribute zu. Im Gegensatz zur „alten“ Generation“ gibt es keine klare Trennung zwischen virtueller und realer (Lebens-)Welt. Erreichbarkeit und Verfügbarkeit ist selbstverständlich, Vernetzung und damit Interaktion und Mitmachkultur als geteiltes Gut ein Muss. Sie sind enorm multitaskingfähig und visuell geprägt. Im Internet sehen die Digital Natives eine Plattform der Mitbestimmung, auf der die private zur öffentlichen Meinung werden kann.
Jung und vernetzt
Prensky hat schon vor Jahren die Zeichen der Zeit erkannt und Recht behalten: Immer mehr Kinder nutzen das Internet von klein auf. In 2014 waren knapp 40 Prozent der 6- bis 7-Jährigen ab und zu online. Ab einem Alter von 10 Jahren ist die Rede von nahezu 100 Prozent.
Natürlich variiert die Art der Nutzung je nach Alter – genauso wie die Reglementierung durch die Eltern. Einer Studie vom Deutschen Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) zufolge steht bei den jüngeren Usern der Spaß in Form von Spielen im Vordergrund. Doch je älter die Anwender, desto vielfältiger die Verwendung des Internets, sei es als Kommunikationsplattform mit Freunden über soziale Netzwerke oder als Informationsquelle für Schule und Hobby.
Darüber hinaus gebe es beim Umgang mit dem Web erhebliche Unterschiede. So werden die befragten 9- bis 24-Jähringen aus der Studie in sieben Typen unterteilt: Souveräne (26 Prozent), Pragmatische (28 Prozent), Unbekümmerte (18 Prozent), Skeptiker (10 Prozent), Verantwortungsbedachte (8 Prozent), Vorsichtige (7 Prozent) und Verunsicherte (3 Prozent).
Vor allem die drei großen Gruppen, die insgesamt immerhin knapp drei Viertel aller Befragten ausmachen, zeichnen sich durch einen intensiven Umgang mit dem Internet aus. Doch was Risikobewusstsein und Sicherheitsmaßnahmen angeht, bestehen auch hier Diskrepanzen.
Nativ oder naiv?
Die Souveränen besitzen ein ausgeprägtes Risikobewusstsein, vor allem beim Thema Datenschutz und Privatsphäre. Doch das spiegelt sich nicht in ihren Sicherheitsvorkehrungen wider, vielmehr die Auffassung, die bestehenden Gefahren müssten in Kauf genommen werden, will man die Vorteile des Internets genießen. Dementsprechend schränken sie ihr Verhalten auch nicht angesichts der Risiken oder Bedrohungen ein.
Die Pragmatischen hingegen fühlen sich gut informiert, schätzen die Gefahren für Datenmissbrauch allerdings im Vergleich zu allen anderen Gruppen am geringsten ein. Dies untermauert beispielsweise ihr enormes Vertrauen ins Unternehmen Facebook. Dennoch ergreifen sie weitaus mehr Schutzmaßnahmen und nutzen häufiger Software-, Passwörter- und Datenkontrollen.
Dass die Unbekümmerten ein weniger stark ausgeprägtes Risikobewusstsein an den Tag legen, lässt sich bereits am Namen erahnen. Für sie zählt nur der Spaß. Treffen sie Sicherheitsvorkehrungen, schränken sie interessanterweise aber eher ihr eigenes Verhalten ein, als sich auf technische Schutzmechanismen zu verlassen.
Im Ergebnis zeigt sich, dass sich die Mehrheit der Kinder viel mit dem Internet beschäftigen, auch ihre Versiertheit im Umgang mit modernsten Technologien, was sie zu Digital Natives macht. Doch im Umkehrschluss bedeutet dies nicht, dass sie sich dadurch sicherer im Netz bewegen, was an den Untersuchungsergebnissen der DIVSI-Studie ablesbar wird. Die teilweise unangemessene Risikowahrnehmung, die teilweise bewusst wahrgenommenen Gefahren führen nicht zwangsläufig zu geeigneten Gegenmaßnahmen zum Schutz vor Bedrohungen. Die Gründe hierfür erfahren Sie im zweiten Teil unserer Artikelserie, die sich vor allem mit der Frage beschäftigt, wie sich das Sicherheitsbewusstsein der Digital Natives stärken lässt.