Im Netz kursieren fast täglich neue Geschichten über Teenager-Mädchen, die durch kompromittierende Fotos Betrügern in die Falle gehen. Das so genannte „Sextortion“ hält mehr und mehr Einzug in den digitalen Raum und verbreitet sich zunehmend. Schon vor einem Jahr warnte das FBI vor dieser neuen Erpressungsmethode mit freizügigen Bildern.

Die meisten von uns können mit dem Begriff immer noch nichts anfangen. Was also genau ist Sextortion und wie können wir uns davor schützen? Wie die deutsche Übersetzung schon andeutet, handelt es sich hier um einen Akt der „sexuellen Erpressung“, bei dem Kriminelle versuchen, an kompromittierende Bilder von meist minderjährigen Kindern zu gelangen. Dabei wird häufig ein sexuelles Interesse oder Zuneigung vorgetäuscht. In der Regel lassen sich bisher zwei Vorgehensweisen beobachten:

Vertrauensbasis

Mit dieser Taktik machen sich die Täter die relative Anonymität des Internets zu Nutze. Über die Vertrauensmasche entlocken sie den Opfern vertrauliche Details oder kompromittierende Fotos, die sie schließlich als Druckmittel einsetzen, um an weitere freizügige Bilder zu gelangen.

Malware-Angriffe

Hier wird der Einsatz einer gezielten Malware-Attacke zum Türöffner des Peinigers: Per Schadsoftware schaltet er die Webcam des Opfers ein, das unwissentlich aufschlussreiche Fotos versendet, die er wiederum für Erpressungszwecke missbraucht.

Sextortion-Fälle nehmen weiter zu

Sextortion ist eine relativ neue Form der Internetkriminalität und es liegen bisher keine Zahlen oder Statistiken über ihre Verbreitung vor. Erst vor kurzem wurde der Fall eines 25-jährigen Mannes wegen sexueller Ausbeutung einer Minderjährigen in den USA verhandelt. Hinzu kam der Besitz und Handel von Kinderpornographie. Laut Gerichtsakten nutzte der Angeklagte Facebook, Kik Messenger, Text Me! sowie Yahoo und Dropbox-Konten „zur Kommunikation mit ein paar Dutzend minderjährigen Mädchen überall in den Vereinigten Staaten und gab dabei vor, selbst ein weiblicher Teenager zu sein.“

Nach intensiver Kontaktaufnahme mit den Mädchen - manche davon nicht älter als 13 – hatte er wohl „gedroht, sexuell eindeutige Bilder ihrer Freunde preiszugeben, es sei denn, das Opfer schicke ihm Nacktbilder von sich oder Fotos in eindeutig sexuellen Handlungen.“ Von nur einem einzigen Mädchen erpresste der Angeklagte mehr als 660 kompromittierende Bilder, die er über seinen Dropbox-Account hochladen ließ.

Auch wenn Sextortion Personen egal welchen Alters oder Geschlechts treffen kann – und jeder kann und sollte sich davor schützen – sind junge Mädchen am meisten betroffen. Genauso wenig lassen sich Alter und Geschlecht der Täter eindeutig bestimmen, doch der Umgang mit solch einer Tat sollte auch nicht davon abhängig gemacht werden.

Was kann ich tun?

Wir geben Ihnen ein paar Tipps, wie sie sich und Ihre Lieben schützen können:

Webcams abdecken

Verdecken Sie die Webcam mit abnehmbaren Stickern oder blickdichtem Tape, wenn sie nicht benötigt wird. Auch externe Webcams sollten Sie vom Rechner trennen oder den Computer ausschalten bzw. den Laptop herunterklappen.

Nutzung von Computer und anderen Geräten beaufsichtigen

Bewahren Sie Rechner oder Tablets in Räumen auf, in denen Erwachsene anwesend sind. Bei Smartphones wird dies schon schwieriger, da sie die Kids überall mitnehmen können. Klären Sie Ihre Kinder auf, wann und welche Bilder sie verschicken dürfen. Allerdings befindet sich Ihr Nachwuchs auch in einem Alter, in dem das Gehirn noch keine zukünftigen Folgen oder Impulskontrolle abschätzen kann. Allenfalls deaktivieren Sie die Kamera im Betriebssystem oder nutzen Sie zur Kontrolle eine Kindersicherung.

Allgemeine Sicherheitsmaßnahmen

Die Ratschläge zum Thema Sicherheit, die wir Ihnen regelmäßig auf den Weg geben, gelten auch hier:

  1. Verwenden Sie starke Passwörter.
  2. Überprüfen Sie den Sender, bevor Sie einen E-Mail-Anhang öffnen.
  3. Aktualisieren Sie regelmäßig Ihre Software.
  4. Nutzen Sie eine Firewall und eine Anti-Malware-Software.

Vergessen Sie nicht, dass Malware-Angriffe gezielt eingesetzt werden, das heißt, die Kriminellen ihre Tools anpassen können, damit sie von sehr einfachen Antivirenprogrammen nicht entdeckt und somit die Opfer zur leichten Beute werden. Seien Sie sich bewusst, dass Technologie alleine nicht ausreichend schützt, auch ein verantwortungsbewusster Umgang mit dem Medium ist gefragt.

Klären Sie Ihren Nachwuchs auf

Beim Schutz vor Sextortion ist es entscheidend, immer ein offenes Ohr für die Kinder zu haben. Geben Sie Ihren Kids das Gefühl, dass Sie bei allen Themen für sie da sind, ohne Angst vor Strafen. Zeigen Sie echtes Interesse daran, womit sich Ihre Kinder online beschäftigen.

Gehen Sie zur Polizei, nicht zu den Schulen

In manchen Fällen ist der Täter selbst auch ein Teenager. Unabhängig davon handelt es sich bei Sextortion um eine Straftat. Da sie auch als eine Form von Erpressung eingestuft wird, kann es ebenfalls zur Anklage wegen Besitz von Kinderpornographie kommen, sofern das Opfer ein Kind ist. In einigen Rechtssystemen wird auch „Revenge Porn“, der sogenannte Racheporno, bei dem Nacktfotos als Racheakt im Netz veröffentlicht werden, als Straftat geahndet, sobald es sich beim Opfer um einen Erwachsenen handelt. Bei solchen Vorfällen – wie der Besitz und Austausch von Sexbildern, vor allem bei Minderjährigen, gilt es, sich an die Polizei zu wenden.

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Sextortion wird nicht als sexuelles Verbrechen eingestuft, sondern vielmehr geht es hier um Machtmissbrauch. Teenager mit einem gesunden Selbstbewusstsein und guter Fürsorge neigen weniger dazu, auf erpresserische Forderungen einzugehen. Umso entscheidender ist es, dass Sie Ihrem Nachwuchs entsprechend mit Rat und Tat zur Seite stehen:

„Wir ermutigen Eltern dazu, mit ihren Kindern proaktiv über diese Form von Internet-Bedrohungen zu sprechen. Durch eine gesunde Vertrauensbasis hat der Nachwuchs einen stets greifbaren Ansprechpartner, der mit Rat zur Seite steht“, so Raphael Labaca Castro, ESET Security Researcher und Redaktionsleiter von WeLiveSecurity. „Oft passieren solche digitalen Übergriffe nämlich dann, wenn keine offene Kommunikation zwischen Eltern und Kindern besteht – und die Angst überwiegt dem Vertrauen.“